Erstmalige Fachtagung: dominikanisches Engagement für „Nostra Aetate“

„Ein Apostolat, das verstehen will“ – so lässt sich das Leitmotiv der Dominikanerinnen und Dominikaner auf den Punkt bringen, die in der ersten Hälfte des 20. Jh. die Begegnung mit jüdischen und muslimischen Personen suchten. Eine bislang einzigartige interdisziplinäre Tagung in Trier, die erstmals Forschende zu Judentum und Islam im dominikanischen Kontext gemeinsam versammelte, machte deutlich, welch veränderter Missionsbegriff die Ordensleute in ihrer Arbeit im Nahen Osten ebenso wie in Europa erfüllte: Es ging ihnen um Gespräche „auf Augenhöhe“ in fremden gesellschaftlichen und religiösen Kontexten.

In einer Haltung des Lernens bahnten Dominikanerinnen und Dominikaner so einer neuen theologischen Wahrnehmung von Judentum und Islam den Weg. Diese sollte schließlich auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) und besonders in der Konzilserklärung Nostra aetate „über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“ zum Ausdruck kommen. Diese Erklärung wurde in jahrzehntelanger Vorarbeit von zahlreichen Ordensleuten im Dialog mit Juden und Muslimen mittelbar oder auf dem Konzil selbst, etwa von Georges C. Anawati (1905–1994) und Bruno Hussar (1911–1996), mitvorbereitet. Dennoch ist bislang kaum erforscht, inwiefern Mitglieder des Dominikanerordens zu einem solchen Paradigmenwechsel in der Kirche beitrugen.

Teilnehmende aus vier Kontinenten

Einen Auftakt zu diesem Forschungsgebiet hat im Januar 2024 die wissenschaftliche Tagung „60 Years of Nostra aetate. New Perspectives on the Dominican Engagement for a Catholic Dialogue with Jews and Muslims“ geliefert. Ermöglicht von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und weiteren großzügigen Sponsoren, widmeten sich 18 Vorträge internationaler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, darunter zahlreiche Dominikanerinnern und Dominikaner, erstmals gemeinsam der Frage nach dem dominikanischen Zeugnis in Nostra aetate.

Aus Ägypten, Frankreich, Israel, Italien, Kanada, Luxemburg, den Vereinigten Staaten von Amerika und verschiedenen Teilen Deutschlands waren die Teilnehmenden nach Trier gereist, wo die Tagung vom Lehrstuhl für Abrahamitische Religionen mit Schwerpunkt Islam und interreligiöser Dialog der Theologischen Fakultät Trier in Kooperation mit dem Institut zur Erforschung der Geschichte des Dominikanerordens im deutschen Sprachraum (IGDom) und dem Emil-Frank-Institut veranstaltet wurde.
Unter den Teilnehmenden waren auch Studierende des Trierer Masters „Interreligiöse Studien: Judentum, Christentum und Islam“, die sich in die Diskussionen aktiv einbrachten. Konferenzsprachen waren Deutsch, Englisch und Französisch, wobei die französische Sprache deutlich überwog.

Andersgläubigen als Lernende begegnen

Im Ergebnis war der Versuch, Fachleute aus den zumeist unabhängig voneinander agierenden Feldern der jüdisch-katholischen und der muslimisch-katholischen Beziehungsgeschichte zusammenzubringen, ein voller Erfolg. Nicht nur neue Perspektiven auf den Gegenstand ergaben sich, der komparative Ansatz ließ auch erkennen, wie herausfordernd es im 20. Jh. für Ordensleute in Israel oder muslimisch geprägten Ländern sein konnte, ein intellektuelles Apostolat wahrzunehmen, Gesprächspartner vor Ort zu finden und die andere Religion wirklich zu verstehen: Der angezielte Dialog entpuppte sich bisweilen als Monolog, worüber zahlreiche Quellen Auskunft geben. Was ursprünglich als Anpassung bzw. Akkommodation des Christentums an neue soziokulturelle Kontexte gedacht war, stand stets in der Gefahr, eine Projektion auf „den Anderen“ zu sein, der anhand eigener Kategorien bewertet wurde. Nichtsdestotrotz wurden immer wieder das Erkenntnisinteresse der Dominikanerinnen und Dominikaner an anderen Religionen und die Suche nach persönlichem Austausch mit Andersgläubigen deutlich.

Die Erforschung dieser Ambivalenzen einer neuen Herangehensweise, die sich einerseits vom traditionellen Missionsbegriff absetzte und andererseits noch auf der Suche nach angemessenen Begegnungs- und Verkündigungsformen war, ist auf dem Hintergrund der dominikanischen Ordenstradition ein Forschungsdesiderat, das weiter erschlossen werden muss. Neben bekannten dominikanischen Theologen des 20. Jhs. wie M.-Dominique Chenu (1895–1990) wurde beispielsweise auch das Engagement von Willehad Paul Eckert (1926–2005), Giorgio La Pira (1904–1977) und des französischen Orientalisten und Nicht-Dominikaners Louis Massignon (1883–1962) für die Arbeit der Predigerinnen und Prediger im christlich-jüdischen bzw. christlich-muslimischen Dialog gewürdigt.

Die Forschungsergebnisse sollen im Jubiläumsjahr der Konzilserklärung 2025 in einem Band der Reihe „Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens – Neue Folge“, die im Verlag de Gruyter erscheint, vorgelegt werden.

Dr. Dennis Halft OP ist Lehrstuhlverwalter des Lehrstuhls für Abrahamitische Religionen mit Schwerpunkt Islam und interreligiöser Dialog an der Theologischen Fakultät Trier und kommissarischer Direktor des Emil-Frank-Instituts an der Universität Trier.
Für die Organisation der Fachtagung (Programm s.u.) zeichnete er gemeinsam mit Elias Füllenbach OP, dem Leiter der Institut zur Erforschung der Geschichte des Dominikanerordens im deutschen Sprachraum (IGDom), verantwortlich.

Foto: Smadar Bergman