Yves Congar

Der französische Dominikaner Yves Congar wird in einem Atemzug mit seinem Lehrer und Ordensbruder Marie-Dominique Chenu (1895-1990) genannt, dem geistigen Wegbereiter der Arbeiterpriester. Beide stehen als Vertreter der nouvelle théologie („Neue Theologie“) für eine kritische Auseinandersetzung mit der römisch-traditionellen Theologie der Scholastik und mit dem Marxismus.

Geboren wurde Congar am 8. April 1904 im ostfranzösischen Sedan. Nach ersten Theologiestudien in Paris reifte in seiner Militärzeit im französisch besetzten Mainz der Entschluss, in den Dominikanerorden einzutreten. Nach seiner Priesterweihe 1929 entwickelte Congar eine rege Vortrags- und Publikationstätigkeit, ab 1931 als Dogmatik-Professor an der Dominikaner-Hochschule Le Saulchoir. Sein wichtigstes Thema war in der Zeit die Überwindung der Kirchenspaltung: So lud er z.B. den evangelisch-reformierten Theologen Karl Barth zu einer Gesprächsrunde ein. Congars erstes großes Werk „Getrennte Christen“ (1937) gilt als Meilenstein der frühen Ökumene.

Durch den Zweiten Weltkrieg wurde seine theologische Tätigkeit jäh unterbrochen. Fast fünf Jahre Kriegsgefangenschaft verbrachte er in Deutschland. Erst danach konnte er seine Themen wieder angehen: die liturgische Bewegung, das Gespräch mit Protestanten, die Bewegung der Arbeiterpriester, die vom Vatikan kritisch beobachtet wurde. Als die Kirchenleitung Frankreichs Arbeiterpriester verbot, wurde Congar wie auch andere Dominikaner mit Lehr- und Publikationsverbot belegt. Der innovative Denker verstand diese Zeit der Prüfung als Übung in „aktiver Geduld“. Sein Studien-Exil verbrachte er in Jerusalem und als Bibliothekar in Cambridge.

Papst Johannes XXIII. berief ihn 1960 in die Vorbereitungskommission des Zweiten Vatikanischen Konzils, was eine semioffizielle Rehabilitierung bedeutete. Beim Konzil führte Congar als Berater – von nicht wenigen weiter beargwöhnt – viele Fachgespräche in Gremien und im Hintergrund. Er speiste wichtige Impulse ein, etwa für die Pastoralkonstitution Gaudium et Spes über die Kirche in der Welt von heute und für das Dekret über die Religionsfreiheit. Ihm wird auch zugeschrieben, den antiken Begriff der „Kollegialität der Bischöfe“ wiederbelebt zu haben. Anders als andere Vordenker des Konzils schreckte Congar nicht vor den kirchenpolitischen Strömungen der folgenden Jahre zurück; er blieb als Mensch, Theologe und Erforschender für die Befreiungstheologie ebenso offen wie für  neue geistliche Bewegungen. Seine Tagebücher sind wichtige Quellen für die Geschichte der Theologie im 20. Jahrhundert.

Papst Johannes Paul II. verlieh seinem brillanten Gesprächspartner aus Konzilstagen im Herbst 1994 die Kardinalswürde – ein später Ritterschlag und finaler Schritt seiner Rehabilitierung, bevor Congar im Jahr darauf starb.